Polizei.NRW
Tag der Wertorientierung am 23.05.2022
Von der Idee zum Graffiti – ein Beitrag der Autobahnpolizei Kamen zur Werteorientierung.
„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ (Art. 1 Grundgesetz)
Das Thema
Die Polizei ist wesentlicher Garant für die Innere Sicherheit und unterliegt als Trägerin des Gewaltmonopols einer umfassenden öffentlichen Kontrolle.
Recht und Gesetz sind prägend für die Rolle und das Selbstverständnis der Polizei. Sie achtet die Menschenwürde, schützt den Bestand des Staates und seine Funktionsfähigkeit und die Grundrechte jedes einzelnen Bürgers.
Diese Verpflichtung und Verantwortung gegenüber dem Staat und den Bürgerinnen und Bürgern findet Ausdruck im Diensteid, welcher mit Eintritt in den Dienst abgelegt wird.
„Ich schwöre, dass ich das mir übertragene Amt nach bestem Wissen und Können verwalten, Verfassung und Gesetze befolgen und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.“ (§ 46 LBG NRW)
Der Diensteid drückt eine absolute Einhaltung und Achtung von Recht und Gesetz aus. Diese Pflicht ist umfassend und betrifft daher nicht nur dienstliches, sondern auch außerdienstliches Wohlverhalten der Beamten und Beamtinnen.
In der Bundesrepublik Deutschland haben über 20 Millionen Menschen einen Migrationshintergrund. Die demographische Zusammensetzung Deutschlands ist durch kulturelle Vielfalt geprägt.
Die große Vielfalt der Bevölkerung stellt insbesondere eine Herausforderung für die Polizei dar, der man die Durchsetzung des Rechts maßgeblich übertragen hat. Menschen verschiedener Herkunft, unterschiedlichen Aussehens und kultureller Bezüge sind Bestandteil der Gesellschaft.
Die Polizei stellt eine Schnittstelle zwischen dem Staat und den Bürgerinnen und Bürgern dar. Ihr Handel bestimmt die Durchsetzung demokratischer Rechtsprinzipien – und darüber, ob Bürgerinnen und Bürger, die staatlichen Maßnahmen unterzogen werden, fair und gerecht behandelt werden.
Extremismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung haben bei der Polizei NRW keinen Platz.
Dieses Selbstverständnis geriet jedoch ins Schwanken durch die Aufdeckung von Chatgruppen, in denen Beschäftigte rechtsextremistische, antisemitische, fremdenfeindliche und rassistische Inhalte teilten.
Diese Erkenntnisse geben Grund zur Nachdenklichkeit.
„Ich möchte alle Polizisten dazu bringen, aufeinander aufzupassen. Denn polizeiliches Handeln heißt nicht nur, die Einhaltung von Regeln durchzusetzen, sondern diese auch konsequent einzuhalten. Es geht um mehr als die aktuellen rechtsextremen Fälle, es geht um Widerstandsfähigkeit, um eine grundsätzliche, Haltung.“ (Zitat: NRW-Innenminister Herbert Reul in: STREIFE 01 | 2021: Die Polizei kämpft um ihren guten Ruf)
Die Polizei Dortmund ist widerstandsfähig gegenüber jeglichen rassistischen und rechtsextremistischen Haltungen. Dies soll Ausdruck finden durch eine künstlerische Gestaltung von Gebäudeteilen der Autobahnpolizeiwache Kamen.
Die Idee
Die Idee des Projektes hatte EPHK Manfred Blunk, Wachleiter der Autobahnpolizeiwache in Kamen. Seine Beweggründe für das Projekt werden im folgenden Interview beleuchtet:
Wie ist die Idee des Projektes entstanden?
„Durch die Berichterstattung in den Medien wurde ich auf Chatgruppen innerhalb der NRW Polizei aufmerksam. In den Chatgruppen sollen u.a. Bilder mit rechtsextremen Botschaften verbreitet worden sein. Kurz danach erhielt ich die Möglichkeit, an einer Dialogveranstaltung mit unserem Innenminister Reul teilzunehmen und bekam dabei erste Einblicke in die Chatinhalte.
„Das ist nicht mein Bild von der Polizei und müssen bedauerliche Einzelfälle sein“!
Unser Fahrradschuppen ist ein altes Gebäude des Energieversorgers und wurde der Polizei zur Nutzung überlassen. Die Grundstücksmauer gehört unserem Nachbarn.
Beides ist unansehnlich, in die Jahre gekommen, vergraut und passt nicht zum Dienstgebäude. Mir liegt unsere Liegenschaft, das Gebäude, die Außenanlagen
am Herzen und ich bemühe mich, alles in einem ansehnlichen Zustand zu halten. Der Bürger soll einen guten Eindruck beim Besuch der Wache bekommen……
„… für den ersten Eindruck bekommt man keine zweite Chance!“ Zu einer ordentlichen Wache hat der Bürger Vertrauen und erwartet eine professionelle Arbeit.
Da störte bislang der Fahrradschuppen und die unansehnliche Mauer. Oft habe ich beim Anblick aus meinem Büro über Verschönerungen durch Bewuchs oder Anstrich nachgedacht.
Es gibt so viele schön bemalte und besprühte Stromverteiler von Energieversorgern, die eine Botschaft beinhalten und durch viele Menschen positiv wahrgenommen werden.
Durch die eingangs geschilderte Dialogveranstaltung war für mich klar, noch deutlicher Position im Sinne unseres Rechtsstaates zu beziehen und dazu die unansehnlichen Gebäude zu nutzen.
Warum nicht Botschaften auf den Fahrradschuppen und die Mauer sprühen und damit jeden Tag die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Liegenschaft damit erreichen. Im Gebäude versehen rund 150 Mitarbeiter* innen aus vier Dienststellen ihren Dienst.
Der Parkplatz der Beschäftigten grenzt unmittelbar an Fahrradschuppen und Grundstücksmauer. So war die Idee geboren und ich suchte einen professionellen Sprayer, den ich durch andere Kunstwerke an öffentlichen Gebäuden in Herrn Veneman der Firma Sprühliebe fand.“
Wie sind Sie auf die Verkehrszeichen in Verbindung mit den Schlagworten gekommen?
„Als Leiter der Autobahnpolizeiwache Kamen wollte ich etwas Anschauliches aus dem Bereich Verkehr nutzen; etwas mit dem sich unsere Beschäftigten auch identifizieren können und gleichzeitig beim Bürger auch bekannt ist.
Wir überwachen täglich die Einhaltung von Regeln im Straßenverkehr. Regeln gibt es auch im Rechtsstaat. Daher Verkehrsregeln, die jeder grundsätzlich kennen sollte. Sie regeln das miteinander im Straßenverkehr.
Anstatt die Anordnung der Verkehrszeichen suchte ich nach Schlagworten der Demokratie. Bei der Auswahl waren mir Mitarbeiterinnen meiner Dienststelle mit ihren tollen Ideen sehr behilflich.
Eine Mitarbeiterin erreichte ich durch ein Gespräch, als ich von meiner Idee berichtete. Spontan und begeistert sprudelten viele gute Ansätze aus ihr heraus.
Auf die zweite Kollegin wurde ich aufmerksam, als ich erfuhr, dass sie im Rahmen ihres Bachelorstudiums eine Thesisarbeit zum Thema – Fremdenfeindlichkeit innerhalb der Polizei – schrieb, die später prämiert wurde.
Mein Interesse war geweckt und ich sprach in diesem Zusammenhang die Beamtin an. Von meiner Idee war sie angetan und meinte….“darauf habe ich gewartet“! So kamen wir gemeinschaftlich zu den Verkehrszeichen und den Schlagworten.“
Warum ist Ihnen das Projekt so wichtig?
„Zum einen stört mich der unansehnliche Fahrradschuppen und die Mauer im Zusammenhang mit dem Dienstgebäude.
Zum anderen bin ich von allen Polizisten*innen enttäuscht, die den Rechtsstaat nicht verkörpern und leben. Die Versuche das Geschehene in den Chatgruppen zu begreifen, ist schwierig und sehr fassettenreich.
Mir ist es wichtig, als Polizist und erst recht als Vorgesetzter, eine klare Haltung zu unserer Verfassung zu leben und zu kommunizieren. Ich bin davon überzeugt, dass dies die meisten von uns möchten und auch leben.
Daher ist es umso wichtiger uns zu erinnern und uns immer wieder „updaten“. Erinnerungen wachhalten und sich unserer Rolle als Polizei in der Gesellschaft immer wieder bewusst sein und vor Augen führen.
Das möchte ich mit Bildern……., immer wieder…., immer dann, wenn wir unsere Fahrräder und Autos an der Dienststelle zu Dienstbeginn abstellen, oder nach Dienstschluss in den Feierabend gehen…. und auch während des Dienstes, wenn wir den Streifenwagen einparken oder zum Einsatz fahren.“
Was gefällt Ihnen besonders gut an dem Projekt?
„Mir gefällt die Verbindung zur Direktion Verkehr/Autobahnpolizei, die Deutlichkeit der Botschaften, das Außergewöhnliche, die Chance, etwas machen zu können, die Unterstützung durch die erwähnten Kolleginnen und sicherlich auch die spontane Bereitschaft des Behördenleiters, das Projekt zu unterstützen!“
Haben Sie selber Erfahrungen mit Rassismus gemacht?
„In der Familie und im Freundeskreis habe ich Kontakte zu anderen Nationen, zu anderen Hautfarben und anderen Religionen. Konkrete Erfahrungen zu Rassismus habe ich da bislang nicht erleben müssen.
Mir ist jedoch bekannt, dass diese Menschen bereits unschöne Erlebnisse in ihrem Leben hatten.
In meiner Dienstzeit habe ich mehrere Erfahrungen gemacht. Daher versuche ich, mich gegen Rassismus einzusetzen und nutze Gelegenheiten wie bei diesem Projekt.
Als ich die Dienststelle vor gut 8 Jahren übernahm, war an der Außenfassade ein geschmiertes Hakenkreuz sichtbar. Ich erstattete Anzeige gegen Unbekannt, überklebte das Hakenkreuz provisorisch bis zur professionellen Reinigung.
Danach schimmerte je nach Lichtverhältnissen das Hakenkreuz immer etwas durch und wurde bei genauer Betrachtung wieder sichtbar. Es störte mich ungemein und musste immer wieder im Vorbeigehen auf die Stelle schauen.
Mit etwas Aufwand ließ ich danach in Absprache mit dem Bau- und Liegenschaftsbetrieb das Gebäudeelement an der Fassade austauschen. Erst danach war meine „Welt“ und unser Dienstgebäude für mich wieder in Ordnung!
Ich dulde keinen Rechtsextremismus, weder im Gebäude noch am Gebäude! Ich wollte ein Zeichen setzen und blieb bei der Beseitigung hartnäckig.
Die entstanden Kosten sind nebensächlich, gemessen an dem Gewinn für die Polizei und die Gesellschaft.“
Ich möchte allen Beschäftigten immer wieder vor Augen führen, wofür sie unermüdlich einstehen müssen und sie an ihre Berufsehre und die Inhalte ihres Diensteids erinnern.
In zwei Jahren gehe ich in die Pensionierung und möchte für die vielen Mitarbeiter*innen eine Dienststelle hinterlassen, mit der man sich gern identifiziert und die ein festes Fundament im Rechtsstaat einnimmt.“
Der Künstler
Die Gestaltung und Umsetzung dieses Projektes wurde durch den freischaffenden Künstler Marcel Veneman aus Menden vorgenommen. Dieser gründete 2015 sein eigenes Unternehmen „Sprühliebe“.
In einem Kurzinterview beantwortet Herrn Veneman Fragen rund um seine Affinität zur Kunst und zu diesem Projekt:
Wie sind Sie zu Ihrem Beruf gekommen?
„Seit ich zwölf Jahre alt bin zeichne ich und mit 15 Jahren habe ich das Sprühen zum ersten Mal legal ausprobiert. Allerdings war ich damals eher frustriert, weil das Malen mit der Sprühdose nicht so funktioniert hat, wie ich es mir vorgestellt habe. Es brauchte einige Zeit um mit dem Werkzeug, der Sprühdose, technisch gut umzugehen. Ab dem Zeitpunkt habe ich die Graffiti Kunst als Hobby weitergeführt.
Zum eigentlichen Beruf ist es aber erst nach zwei abgeschlossenen Berufsausbildungen gekommen.
Im Jahre 2015 hatte ich einen unverschuldeten Autounfall, bei dem mir die Vorfahrt genommen wurde. Nach dem Unfall war ich circa ein halbes Jahr in einer Klinik, da ich eine Verletzung meiner Wirbelsäule erlitt.
In dieser Zeit hatte ich viele Gelegenheiten, mir Gedanken um mein Leben zu machen. Ich habe mich oft gefragt, ob ich mit dem was ich bin und was ich mache überhaupt zufrieden sein kann. Aus diesen Gedanken heraus und dem zusätzlichen Anstoßes meines Schwiegervaters, der irgendwann in dieser Zeit sagte: ,,Mach doch was mit deiner Kunst beruflich …„ entwickelte sich der Gedanke und daraus schnell der Name Sprühliebe und es wurde ernst.
Die letzten sieben Jahre als freischaffender Künstler sind einfach an mir vorbeigeflogen, aber ich habe jede Sekunde genossen und tue dies nach wie vor.“
Was gefällt Ihnen an der künstlerischen Arbeit besonders gut?
„An der Arbeit gefällt mir am meisten, dass ich viele verschiedene Leute treffe und kennenlerne. Zudem ist es ein super Gefühl eine Wand, eine Fassade, ein Fahrzeug, Skulpturen, Leinwände etc. zu verändern. Vorher ist es meist nur eine weiße Fläche und ich gebe der Fläche eine zusätzliche Funktion oder Bedeutung durch mein Kunstwerk.
Es ist nicht einfach so, dass ich jemandem eine Waschmaschine verkaufe die unter Umständen schneller kaputt geht als einem lieb ist. Meine Gestaltungen überleben meine Besitzer und erfreuen nicht nur den Kunden selbst. Je nachdem wo das Kunstwerk erstellt wird, sehen es noch viele andere Leute. Es freut mich wenn sich andere an meiner Kunst erfreuen können. „
Sie bieten im Rahmen Ihrer Arbeit auch Projekte für Jugendliche an. Wie kam es dazu und warum ist Ihnen dieser Bereich so wichtig?
„Projekte mit Jugendlichen und Kindern sind etwas Besonderes.
Einer der ersten Graffiti Workshops die ich geleitet habe, war ein interkultureller Graffiti Workshop.
Über 3/4 der Teilnehmer sprachen verschiedene Sprachen. Dies schien anfangs schwierig zu werden, doch nach kürzester Zeit verständigten sich alle Teilnehmer mit Händen, Füßen und Gesten. Es war schön zu sehen, dass Kunst als Medium so viele Kulturen miteinander verbindet, ohne Streitigkeiten oder Missgunst aufkommen zu lassen.
Seitdem habe ich viele Workshops geleitet, ob nun mit Jung oder Alt. Eine wichtige Sache steht dabei immer im Vordergrund: der Spaß.“
Wie stehen Sie zu dem Projekt der Autobahnpolizeiwache Kamen?
„Das Projekt an der Autobahnpolizeiwache in Kamen knüpft an den Punkt von den interkulturellen Graffiti Workshops an. Es ist meiner Meinung nach wichtig, ein Zeichen für ein Miteinander zu setzen.
Durch die Motive die ich dort sprühe wird jeder, der dieses Bild sieht, daran erinnert, dass wir zusammenhalten und uns gegenseitig im Rahmen unser Möglichkeiten helfen und unterstützen sollten.
Respekt voreinander, egal wo und egal wann.“
Mehr zu meiner Kunst finden Sie unter:
www.Sprühliebe.de
www.facebook.com/spruehliebe
www.instagram.com/spruehliebe